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Venture Capital - Einbahnstraße mit ungewissem Ausgang

Es ist nicht alles Gold, was glänzt...

05. October 2021
Max Pschiebel
Max Pschiebel
CEO

Mitte September erhielt ich eine Einladung der Initiative recode.law, am 1. Oktober in Münster im Rahmen der Veranstaltung make your start - Start-up academy an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Die Diskussion trug den Titel I got 99 problems (but capital ain’t one) und drehte sich rund um das Thema Venture Capital.

Die Veranstalter wollten die Geschichte eines Gründers hören, der sich gegen die Aufnahme von Außenkapital entschieden hat. Über die Einladung habe ich mich sehr gefreut und sie daher gerne angenommen.

Im Folgenden will ich Ihnen sehr gerne meine Position zu Venture Capital sowie die Eindrücke dieses Tages näherbringen.

Einladung zur Podiumsdiskussion

Anreise und erste Eindrücke

Nach Ankunft am Flughafen Münster-Osnabrück ging es zunächst mit dem Bus in die Innenstadt und anschließend zum Fürstenberghaus, einem Universitätsgebäude direkt gegenüber des Domplatzes und Veranstaltungsort der Start-Up academy.

Einige Minuten vor der Veranstaltung konnte ich mich bereits mit den weiteren Teilnehmern unterhalten. Emma Peters arbeitet als Rechtsanwältin bei YPOG und war aus Berlin angereist, Dr. Nikolaus Föbus ist Venture Partner bei Antler Global und Partner bei Eagle LSP und Sebastian Otutuama konnte direkt aus dem Büro von Aquaty in Münster zur Diskussion stoßen.

Einige Augenblicke später wurden wir von unserem Moderator in den Hörsaal geführt und die Diskussion konnte beginnen.

Beginn der Podiumsdiskussion

“I got 99 problems - but capital ain’t one”

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es auch schon direkt in die Materie. Der Moderator begann mit seiner ersten Frage: Venture Capital - ist das nun gut oder schlecht?

Es dürfte wenig überraschend sein, dass mir dabei die kritischste Rolle zukam. Nachdem ich zuvor aus der Runde gehört hatte, Venture Capital sei ein Tausch “Geld gegen Anteile”, fühlte ich mich zu einer Ergänzung dieser Gleichung herausgefordert.

Venture Capital ist zwar generell sicherlich “Geld gegen Anteile”; die Gleichung ist allerdings nicht an dieser Stelle vorbei. Venture Capital hat vielmehr zwei weitreichende Folgen: Erstens ist die Aufnahme von Außenkapital eine nahezu unumkehrbare Entscheidung, weil das Unternehmen nach der erstmaligen Aufnahme von Venture Capital ständig Liquidität benötigen wird, um weiterhin die Ausgaben bedienen und weiter wachsen zu können. Zweitens ist auch der Ausgang der Geschichte ungewiss: Sie können mit Venture Capital zum Ende des Regenbogens gelangen, Sie können aber genauso vor dem Nichts stehen und dafür auch noch persönlich haften.

Die Gleichung lautet daher meines Erachtens vielmehr: Geld, meistens in mehreren Tranchen, gegen Anteile, die Verpflichtung zur Erfüllung bestimmter Milestones, der Auseinandersetzung mit persönlicher Haftung und dem Beginn eines Wettlaufs gegen die Liquidität.

Damit ist Venture Capital keineswegs ein Geldgeschenk oder eine altruistische Förderung eines Investors, der unbedingt an das eigene Unternehmen glaubt, sondern ein ganz neutral zu betrachtendes kaufmännisches Geschäft, bei dem gerade auch der Gründer einiges an Souveränität und Gestaltungsmöglichkeiten für die Gegenwart und Zukunft aufgibt.

Unser Weg bei Legal Software

Bootstrapping vs. Venture Capital

Weiter wurde ich gefragt, wieso wir uns bei Legal Software zunächst gegen die Aufnahme von Außenkapital entschieden haben. Wir sind zwar ein junges Unternehmen und arbeiten aktuell zu zweit ohne weitere Mitarbeiter, haben aber in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass wir ohne weiteren Kapitalzuschuss SaaS-Produkte entwickeln, auf den Markt bringen und mit unserer Zielgruppe in Kontakt kommen können.

Es könnte zwar der Tag kommen, an dem auch wir uns für die Aufnahme von Venture Capital entscheiden, beispielsweise um Geld für schnelleres Wachstum oder Marketing zur Verfügung zu haben. Allerdings hatten wir mit unserer früheren Firma Zukunft Verstehen ein fertig entwickeltes und voll funktionsfähiges Produkt, die Klauseldatenbank, die anschließend auch von Juristen verwendet wurde. Mit der Klauseldatenbank konnte einmal erledigte Arbeit bei Überschneidungen zwischen Mandaten wiederverwendet und kanzleiintern sowie mit Dritten geteilt werden.

Daher haben wir aktuell vollstes Vertrauen in unsere Technologie, unsere Vision und unsere interne Zusammenarbeit. Stand heute brauchen wir daher kein Venture Capital.

Mitspracherechte von Investoren

Notwendige Absicherung oder potenzielle Ausuferung der Investorenrechte?

Ein weiteres interessantes Thema waren die Mitspracherechte von Investoren nach der Aufnahme von Venture Capital. Mir war es wichtig klarzustellen, dass Mitspracherechte nicht erst dann zum Tragen kommen, wenn der Gründer das aufgenommene Kapital verprasst, sondern bereits bei ganz alltäglichen Situationen.

In vielen VC-Verträgen hat der Investor beispielsweise das Recht, ab einer bestimmten Geldsumme Firmenausgaben ablehnen zu können. Der Gründer kann dann einige Verträge nicht ohne Zustimmung des Investors schließen.

Ebenfalls alltäglich sind sogenannte Vesting- und Tag-Along- und Drag-Along-Klauseln. Bei Vereinbarung einer Vesting-Klausel kann der Gründer für eine bestimmte Zeitspanne (meist vier Jahre) nicht wirksam über seine Anteile verfügen. Er muss sich seine Anteile über diese Zeitspanne erneut “ansparen”. Wenn er vor Ablauf der Vesting-Periode das Unternehmen verlässt oder verlassen muss, kann er je nach Vereinbarung entweder über die bislang angesparten Anteile oder im Ernstfall weiterhin über keine Anteile verfügen.

Bei Vereinbarung einer Drag-Along-Klausel hat der Investor unter Umständen das Recht, bei einem Verkauf seiner Minderheitsbeteiligung auch den Gründer zur Veräußerung seiner Anteile zu zwingen. Der Investor hat dann die Gesellschaftsverhältnisse weitgehend in seiner Hand und der Gründer müsste sich im Ernstfall von seinen Anteilen trennen oder sie jedenfalls verwässern lassen. Die Zustimmung des Gründers ist dafür ausdrücklich nicht erforderlich.

VC-Verträge räumen dem Investor auch darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Rechte ein. So kann der Investor regelmäßig z.B. den Geschäftsführer der Gesellschaft absetzen und einen neuen ernennen, im Zweifel auch gegen den Willen des Gründers oder des Gründungsteams. Er wird häufig ein Vetorecht bei der Aufnahme weiterer Gesellschafter oder auch Wettbewerbsverbote der Gründer für bis zu zwei Jahre nach Verlassen des Unternehmens einfordern. Beliebt sind auch Liquidationspräferenzen, die dem Investor im Fall eines Exit-Erlöses einen vorrangigen Betrag sichern, der mindestens seinem Investment entspricht, häufig aber auch weiter eine gewisse Renditeerwartung beinhaltet.

Diese Mitsprache- und Kontrollrechte können selbstverständlich auch ineinander greifen und dadurch dem Investor zu weiterer Macht über den Gründer und die Unternehmensstrategie verhelfen: Wenn der Investor z.B. den Gründer als Geschäftsführer absetzen kann und der Gründer in der Folgezeit aufgrund einer Wettbewerbsklausel nicht mehr in derselben Branche arbeiten dürfte, begründet dies ein starkes Über-/Unterordnungsverhältnis.

Aufgrund dieser Umstände ist bei Venture-Capital-Verträgen größte Vorsicht geboten. Ich möchte Venture Capital nicht insgesamt verteufeln, denn der Gründer erhält durchaus im Gegenzug Risikokapital des Investors, um seine Idee zu verfolgen und seine Firma wachsen zu lassen. Ich plädiere aber für eine kritische Auseinandersetzung mit diesen komplexen Verträgen und Klauseln und der weitreichenden Bedeutung, die ihnen in der Praxis zukommt.

Mitarbeiterbeteiligungen

Gesetzgeberisches Problem der Dry-Income-Taxation

Das letzte Thema, das mir auf dem Herzen lag, war die gesetzgeberische Handhabung von Mitarbeiterbeteiligungen und das Problem der Dry-Income-Taxation.

Mir sind mittlerweile einige Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter Beteiligungsoptionen entweder als ESOP oder VSOP erhalten haben, die sie erst in einigen Jahren ausüben konnten. Das Finanzamt hat demgegenüber die Optionsrechte bereits als Einkommen gesehen und im Einkommensteuerbescheid als Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in voller Höhe angesetzt.

Bei einer Beteiligungsoption in Höhe von 500.000 € bedeutete dies für den jeweiligen Mitarbeiter eine Einkommensteuerlast von zusätzlich knapp über 200.000 €, ohne dass dieser die Beteiligungsoption liquide machen, geschweige denn überhaupt über die Option verfügen konnte.

Hatte sich der Mitarbeiter nicht im Vorhinein rechtlich und steuerlich abgesichert, bedeutete das Optionsprogramm für ihn anstelle der Vergütung seiner Verdienste für das Unternehmen schnell eine kaum überwindbare steuerrechtliche Herausforderung.

Aus diesen Gründen bedarf die Ausgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen daher der Klärung einiger Grundsatzfragen gerade im Hinblick auf den Zeitpunkt der Besteuerung und die generelle Vermeidung einer Dry-Income-Taxation.

Im Anschluss an die Diskussion

Abrundende Gespräche und neue Erkenntnisse

Nach einigen Fragen aus dem Publikum wurde die Veranstaltung in den lokalen “Wintergarten” verlagert. Dort konnte ich noch einige Fragen von interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern beantworten und mich mit Mitgliedern von recode.law und dem Venture Club Münster unterhalten.

Ich war abschließend sehr positiv überrascht, wie viele Teilnehmer sich bereits stark mit dem Thema Venture Capital auseinandergesetzt hatten und auf diesem Feld aktiv waren. Am meisten hat mich überrascht, wie groß das Interesse auch an juristischen Ausführungen zu diesem Thema war und wie viele mich auch auf einzelne Klauseln und Vertragsgestaltungen angesprochen haben: In welchen Fällen hafte ich als Gründer persönlich, wie schnell wird eine Insolvenzverschleppung verursacht, wie kritisch ist eine Dry-Income-Taxation und welche weiteren Fallstricke lauern bei der Aufnahme von Venture Capital?

Insgesamt bedanke ich mich sehr für die Einladung und die gut organisierte Veranstaltung und hoffe, dass ich umgekehrt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch denselben Mehrwert bieten konnte, den sie mir zweifelsohne geboten haben.

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